Samstag, 27 April 2024

"Er malt wie er boxt"

Zum ersten Mal in Deutschland zu sehen: Das Hagener Osthaus Museum zeigt eine Retrospektive des Malers Sylvester Stallone

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Normalerweise berichten Journalisten davon, was sie erlebt haben und das natürlich so zeitnah, dass es für ihre Leser spannend ist, weil sie das Gefühl bekommen, dabei gewesen zu sein. Wenn man als Reporter aber einem Event beiwohnt, das gleichzeitig von 80 internationalen Presseleuten begleitet wird und selbst für ein Magazin arbeitet, das nur vier Mal im Jahr erscheint, dann hat man ein Problem. Anders gesagt: Wie kann es spannend sein, Wochen nach Sylvester Stallones Auftritt über ihn und seine Bilder im Hagener Osthaus Museum zu berichten, ohne dass die Leser sich gähnend abwenden? Da hilft nur einer: Wolf Schneider, Journalisten-Papst und Wegweiser. „What ist the news?“ ist eine seiner zentralen Fragen und in unserem Fall heißt das: „Was ist die Nachricht, die wir noch nicht überall gelesen und gehört haben?“. Aber immerhin hat man ja auch einen Vorteil, wenn man schreibt, nachdem schon alle anderen geschrieben haben. Man kann alles lesen und sehen, was noch fehlt.

Großer Presserummel um die Eröffnung
Eine Hagener Kollegin beispielsweise verfasste im Nachgang von Stallones Besuch in Hagen einen Artikel mit dem Titel „Wie ich einmal Sylvester Stallone interviewte. Fast.“ Sie schreibt darüber, dass etwas nicht geschah. Bestimmt war sie nicht die Einzige, die sich gute und in perfektem Englisch formulierte Fragen zurecht gelegt hatte, die dann unbeantwortet blieben. Grundsätzlich war die Pressearbeit rund um das Event aber sehr professionell. Dass bei gut 80 angereisten Medienvertretern nicht jeder persönlich mit ihm sprechen konnte, versteht sich doch von selbst. Aber man konnte sich akkreditieren und man bekam Sylvester Stallone zu sehen. Er ist ungefähr 1,80 groß und sehr durchtrainiert. Mit federndem Gang bewegt er seinen drahtigen Körper ins Osthaus Museum und sieht nicht aus wie 75 Jahre alt. Doch sollte man darüber überhaupt ein Wort verlieren? Ist es nicht vollkommen „wurscht“, wie ein bildender Künstler aussieht? Denn das ist Stallone auch. Er kommt in diesem Fall ja nicht als Schauspieler nach Hagen, wiewohl er wahrscheinlich den meisten Menschen als ein solcher in erster Linie bekannt ist.

 

Ist der prominente Name ein Vor- oder Nachteil?
Bevor er erscheint, habe ich Gelegenheit, mir seine Bilder in Ruhe anzusehen. Und… sagen wir es mal so, wie es ist: ich bin kein Kunstkenner, nur interessierter Laie. Aber die Bilder faszinieren mich genauso wie ich das zum Beispiel im MOMA in New York empfunden habe. Fesselnd sind sie und lösen Emotionen aus, ohne dass es weiterer Erklärungen bedarf. Mir geht durch den Kopf, dass im Vorfeld dieser Ausstellung Bekannte zu mir  Dinge gesagt haben „Ach wie…? Der malt auch? Ahja…“ was sich anhört, als könne das ja nichts Richtiges sein. Menschen, die Stallone nur als Rocky oder Rambo kennen, zweifeln offenbar mal so pauschal und per se an seinem künstlerischen Schaffen. Wie sieht es aber mit Leuten aus der Kunstszene aus? Ich habe eine Freundin in Berlin, die im Thema ist. Anne Maier schreibt seit Jahrzehnten über Kunst und arbeitet in der Branche. „Das ist dieses Phänomen der Doppelbegabung, was nicht häufig vorkommt und deswegen nicht leicht begriffen wird“, erklärt sie, „wir haben aber auch in Deutschland Beispiele dafür. Armin Müller-Stahl ist nicht nur Schauspieler, sondern auch ein begnadeter Violinist und Maler. Stallones künstlerisches Schaffen kann man wohl im Bereich abstrakt-expressionistisch einordnen. Ein bisschen so wie die jungen Wilden früher oder der amerikanische Künstler Jean-Michel Basquiat. Beim abstrakten Expressionismus geht die Emotion direkt von der Hand auf die Leinwand. Er malt wie er boxt, oder wie Rocky boxen würde. Er ist sehr authentisch.“

 

Mit dieser Ausstellung schließt sich ein Kreis
Wenn Stallone durch diese Ausstellung im weltweit ersten Museum für zeitgenössische Kunst jetzt auch in Deutschland einem breiteren Publikum als Maler bekannt wird, dann sehen ihn anschließend die Menschen ein Stück weit mehr als der, der er eigentlich ist. Stallone malte lange, bevor er damit begann, als Autor und später als Schauspieler zu arbeiten. Gewissermaßen handelt es sich bei ihm also um einen Maler, der aus Geldnot zum Film ging und dann entdeckte, dass er auch hier  außergewöhnliches Talent besitzt. Weil aber mehr Menschen ins Kino als ins Museum gehen, ist die Frage, in welchem Metier mehr Ruhm gesammelt wird, schnell beantwortet. Es kostete die Galerie Gmurzynska viel Überredungskunst, Stallone vor einigen Jahren für eine Ausstellung in der Schweiz zu gewinnen. Nach Museumsschauen in St. Petersburg folgte dann Nizza und nun der Auftritt im Osthaus Museum. Dr. Tayfun Belgin, der durch seine exzellenten Kontakte diese bedeutende Ausstellung nach Hagen holen konnte, ist zu Recht stolz darauf. Der Direktor des Osthaus Museums wollte schon 2013 Bilder von Stallone ausstellen. Die jetzt gezeigte Retrospektive mit 53 Werken wurde von Joseph Kiblitsky kuratiert, dem Chefkurator des Museums St. Petersburg, den Belgin seit über 25 Jahren kennt. Dass das jetzt zustande kam, kommentiert er so: „Es ist ein Höhepunkt für Hagen und für mich.“ Umgekehrt kann sich auch der Künstler freuen, hier präsentiert zu werden. Nicht trotz, nicht wegen, sondern komplett unabhängig vom prominenten Namen werden seine Werke gezeigt. Galerist Mathias Rastorfer, CEO der Galerie Gmurzynska, antwortet auf eine Journalistenfrage zu seinen Beweggründen schlicht und überzeugt: „Es ist sehr gute Kunst“. Tayfun Belgin ergänzt: „Diese Kraft der Malerei zeigt einen Vollblutmaler, so wie er in seinen Filmen auch als Vollblutschauspieler auftritt.“ Vielleicht macht ein großer Name manches leichter, jedoch – so Belgin weiter: „Man kann aber einen guten Namen durch schlechte Bilder kaputt machen. Hier trifft ein guter Name auf gute Bilder.“

 

Sylvester Stallone: „Beim Malen hat man nur sich und seine Seele“
Wenn ihn verschiedene Medien später als „fast ein bisschen verschüchtert“ bei dieser Pressekonferenz in Hagen beschreiben, setzen sie immer das Bild des harten, starken Action-Idols dagegen. Sieht man aber genauer hin, so ist Stallone eigentlich nur eine kleine Nuance verlegen. Genauso wie wenn jemand, der doch nur die Bilder für sich sprechen lassen wollte, jetzt dummerweise aber noch gefragt wird, was er sich denn dabei gedacht hat. Hinzu kommt, dass jeder Künstler etwas von sich persönlich gibt. Und seine eigene Gefühlswelt auf Bildern zum Ausdruck zu bringen, das ist etwas sehr Privates. Vielleicht würde man etwas malen, was einem immer wieder nachts in Alpträumen begegnet. Darüber sprechen will man vielleicht aber nicht. Trotzdem oder gerade deswegen, weil das Malen so eine authentische Ausdrucksform ist, liebt er es. Sylvester Stallone: „Das ist es, was ich an der Malerei liebe, sie ist die einzig wahre Kommunikation, die man haben kann. Schreiben kann man manipulieren, Malen ist der schnellste und reinste Übersetzer des Unterbewusstseins. Wenn etwas in einem vorgeht und man auf die Leinwand trifft, ist es schwer, es zu fälschen. Der Künstler auf der Leinwand ist für mich die Nummer eins, wenn es darum geht, seine Gefühle zu vermitteln.“


Die Ausstellung im Osthaus Museum ist noch bis zum 22. Februar zu sehen.

 

Text und Bilder: Daniela Prüter