Dienstag, 19 März 2024

LASS KRACHEN!

Hallenberg ist zwar ziemlich klein – genau genommen sogar die zweitkleinste Stadt in Nordrhein-Westfalen – dafür aber einmal im Jahr ordentlich laut.

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Nach der Krach­nacht werden in vielen Ortsteilen große Feuer entzündet.

Im­mer in der Nacht zum Os­ter­son­n­tag er­lebt das sonst so ruhige Städtchen mit sei­nen Ort­steilen Hes­born, Braun­shausen und Lie­sen und ins­ge­samt et­wa 4.400 Ein­woh­n­ern, das wahrschein­lich lauteste Spek­takel des Sauer­lan­des – denn dann tr­ef­fen sich die Burschen zur tra­di­tionellen „Krach­nacht“. Kurz vor Mit­ter­nacht erlischt die Straßen­beleuch­tung und nach­dem die Kirch­tur­muhr zwölf gesch­la­gen hat, wird vor der Kirche ein nur hi­er über­lie­fertes Pas­sions­lied ge­sun­gen. Sobald der let­zte Ton verk­lun­gen ist, set­zt ein ohren­betäuben­der Lärm ein und der Zug set­zt sich in Be­we­gung: Vorab ge­hen die Fack­el­träger ge­fol­gt von drei großen, er­leuchteten Kreuzen, Lam­pi­on­bäu­men, Klap­per- und Ras­sel­trägern, der Burschen­trom­mel und etlichen son­sti­gen „Krach­wa­gen“. Die Route durch die Straßen und Gassen Hal­len­bergs ist seit Jahrhun­derten un­verän­dert. Et­wa an­derthalb Stun­den dauert das so laute wie archaische Spek­takel, das Jahr für Jahr zahl­reiche Be­such­er in den Hoch­sauer­land­kreis lockt. Dann ge­hen die Lichter der Stadt wied­er an als wäre nichts gewe­sen.
An­son­sten ge­ht es am südöstlichen Rand des Sauer­lands, im aus­laufen­d­en Fels­mas­siv des Rothaarge­birges un­mit­tel­bar an der hes­sischen Grenze, beschaulich­er zu. Die Hal­len­berg­er Alt­s­tadt lädt mit ihren sch­malen, ver­winkel­ten Gassen und se­hen­sw­erten Kirchen wie der Pfar­rkirche St. Herib­ert von 1558 und der Wall­fahrt­skirche Mar­iä Him­mel­fahrt aus dem 12. Jahrhun­dert zum ents­pan­n­ten Bum­meln und Ent­deck­en ganz ohne Ra­dau ein.

Der geschicht­strächtige Stadtk­ern mit dem Markt­platz und dem Petrus­brun­nen von 1756 zeigt noch heute im typisch rin­gartig an­gelegten Straßen­ver­lauf sei­nen Ur­sprung um die Burg und ist mit zahl­reichen denk­malgeschützten Fach­w­erkhäusern bestückt. Ein Über­bleib­sel aus den ehe­ma­li­gen Hal­len­berg­er „Quar­tal­en“ ist ein Back­haus aus dem Jahr 1646: Hi­er wird heute noch je­den Sam­s­tag Stei­nofen­brot ge­back­en und zum Verkauf ange­boten.

Die Er­hal­tung des his­torischen Kerns hat für die Stadt schon seit vielen Jahren größte Be­deu­tung. Hal­len­berg zählt heute ins­ge­samt 52 Bau­denk­mäler, wobei viele Ge­bäude durch eine sin­n­volle Fol­genutzung in ihrem Be­s­tand gesichert wer­den kon­n­ten. „Ein gutes Beispiel ist das 500 Jahre alte „Karl-Wilmch­es Haus“, ein­er der größten Höfe in der Hal­len­berg­er Alt­s­tadt, der auf­grund des notwendi­gen Sanierungsbe­darfs viele Jahre lang leer stand: Hi­er hat nach der Sanierung eine Früh­stück­spen­sion mit Showküche und Hof-Café eröffnet“, erk­lärt Hol­ger Sch­nor­bus als Sprech­er der Hal­len­berg­er Stadtver­wal­tung.

In den let­zten Jahrzeh­n­ten nach dem Zweit­en Weltkrieg hat sich die Stadt an der Nuhne von einem land­wirtschaftlich geprägten Ort zu ein­er Ge­meinde mit einem über­durch­sch­nittlichen gewer­blichen Beschäftig­te­nan­teil ge­wan­delt. In dies­er Zeit haben sich im Stadt­ge­bi­et rentable mit­tel­ständische In­dus­trie- und Hand­w­erks­be­triebe en­twick­elt. Mit et­wa 1.800 Ar­beit­s­plätzen hat Hal­len­berg im Ver­hält­nis zur Ein­woh­n­erzahl eine der höch­sten Beschäftigten­quoten in ganz Nor­drhein-West­falen. Die wirtschaftlichen Sch­w­er­punkte lie­gen dabei in den Bereichen Au­to­mo­bil­bau, Mö­be­lin­dus­trie und Lo­gis­tik. Die örtliche In­dus­trie ist in­ter­na­tio­n­al aus­gerichtet und be­lie­fert ihre weltweit­en Zielmärkte aus dem Hoch­sauer­land.

Haup­tar­beit­ge­ber sind die Fir­ma Kusch+Co Sitzmö­bel­w­erke, die zu den führen­den Sitzmö­bel- und Ob­jek­ther­stellern Eu­ro­pas ge­hören, sowie der Leicht­me­t­all­räder­her­steller Bor­bet – beide Un­terneh­men haben maßge­blich zum wirtschaftlichen Wan­del des Ortes beige­tra­gen. Darüber hi­naus sind der Maschi­nen- und An­la­gen­bauer Siepe, Lo­gis­tikun­terneh­men wie die Fir­ma Klein­wächter Silo­tran­s­porte und di­verse land­wirtschaftliche Be­triebe von Be­deu­tung.

„Kurze Entschei­dungswege in­n­er­halb ein­er klei­nen, sch­lagkräfti­gen Stadtver­wal­tung und ein breites ehre­namtlich­es En­gage­ment der ge­samten Bevölkerung bil­den die Grund­lage für die sch­nelle Um­set­zung von Pro­jek­ten in Hal­len­berg“, schildert Hol­ger Sch­nor­bus. Nichts­des­totrotz ste­ht man auch dort vor großen Her­aus­forderun­gen, die sich aus dem de­mo­gra­fischen Wan­del ergeben: So sank die Ge­samtein­woh­n­erzahl der Stadt in einem Zei­traum von 20 Jahren um fast 600 Ein­woh­n­er, was einem Bevölkerungs­rück­gang um et­wa zwölf Prozent ent­spricht.

Über den man­gel­n­den Zu­lauf von Gästen muss man sich hinge­gen keine ern­sthaften Sor­gen machen: Dank der be­son­dere Na­tur­be­zo­gen­heit der Stadt bi­etet sie beste Vo­raus­set­zun­gen für Wan­der­er­leb­nisse, die für alle Al­ter­sk­lassen und die un­ter­schiedlich­sten An­sprüche in­teres­sant sind. Weite Hoch­plateaus mit typischen Busch- und Strauch­land­schaften und safti­gen Wie­sen wech­seln sich ab mit den höch­sten Ber­gen des Sauer­lan­des und ihren tie­f­grü­nen Wäldern.

Et­wa vi­er Fünf­tel der 6.500 Hek­tar großen Ge­mein­de­fläche sind mit ver­schie­de­nen Na­turschutzkat­e­gorien über­plant. Dazu ge­hören das Eu­ropäische Vo­gelschutzge­bi­et Mede­bach­er Bucht und das FFH-Ge­bi­et Hal­len­berg­er Wald. Die Wald­land­schaft und die of­fene Mede­bach­er Bucht wer­den durch zahl­reiche Gewäss­er verknüpft, und die sat­ten Grün­landtäler drin­gen bis tief in das Waldge­birge vor. Hi­er gedei­hen arten­reiche Mäh­wie­sen, die nicht nur in Deutsch­land zu den ge­fährde­ten Leben­s­räu­men ge­hören, son­dern in ganz Eu­ro­pa.

Dank der et­was abgeschie­de­nen ge­o­gra­fischen Lage blieb Hal­len­berg von Flur­bereini­gungsver­fahren weit­ge­hend ver­s­chont, so dass die Land­schaft heute von ein­er wohltuend vielfälti­gen Na­tur geprägt ist. Boten die ge­o­gra­fischen und kli­ma­tischen Be­din­gun­gen mit sau­ren Bö­den und gerin­gen Nied­er­sch­lä­gen den Land­wirten aus der Re­gion früher nur karge Erträge, zeigt sich dafür heute eine um­so reichere Kul­tur­land­schaft mit vielen Wie­sen und Wei­den, Berghei­den, Feldgärten, Heck­en und blüten­reichen We­grai­nen. Hi­er fühlen sich Vögel wie Raub­würg­er, Ne­un­töter und Reb­hüh­n­er wohl, während Eisvögel, Li­bellen und Wasser­am­seln im Bereich der na­tur­be­lasse­nen Fließgewäss­er beobachtet wer­den kön­nen. In den zahl­reichen Buchen­wäldern fin­d­en sich darüber hi­naus zahl­reiche Rot­mi­lane und Sch­warzstörche.

„Hal­len­berg pro­f­i­tiert von dem ge­gen­wärti­gen Trend zum Na­tu­rur­laub in be­son­der­er Weise, da die örtlichen Gegeben­heit­en den Be­such­ern ge­nau die­s­es Na­tur­er­leb­nis bi­eten kön­nen“, erk­lärt Hol­ger Sch­nor­bus. „Hier­bei ist es allerd­ings wichtig, das Gästeaufkom­men in ökol­o­gisch sen­si­blen Bereichen durch be­son­dere Ange­bote wie et­wa Na­tur­wege zu lenken. Solche Na­tur­wege wur­den in den Bereichen Lie­se­tal und Nuh­newie­sen in Zusam­me­nar­beit mit der Bi­ol­o­gischen Sta­tion Hoch­sauer­land ein­gerichtet und wer­den von den Be­such­ern äußerst gut angenom­men.“ Neben dem klas­sischen Wan­derur­laub auf den örtlichen Wan­der-, The­men- und Na­tur­we­gen ist eine Vielzahl von weit­eren sportlichen Ak­tiv­itäten wie et­wa Nordic-Walk­ing, Rad­fahren, Klet­tern und Win­ter­s­port stärk­er in den Fokus der Gäste gerückt – und nicht zulet­zt wird auch der Ge­sund­heit­s­touris­mus im­mer häu­figer nachge­fragt.

Dreh- und An­gelpunkte des kul­turellen Leben Hal­len­bergs sind die Freilicht­bühne sowie das In­for­ma­tion­szen­trum Kump im his­torischen Stadtk­ern. Mit ihr­er beein­druck­en­den Na­turkulisse bi­etet die Freilicht­bühne Hal­len­berg ei­nen per­fek­ten Rah­men für ein­drucksvolle Som­merthe­ater-Er­leb­nisse. 140 Am­a­teur­spiel­er und zahl­reiche ehre­namtliche Mi­tar­beit­er küm­mern sich vom Büh­nen­bau über die Kostüm­sch­nei­derei bis hin zu Ver­wal­tung und Tech­nik um alle Be­lange der Spiel­stätte – lediglich die Regie liegt in pro­fes­sionellen Hän­den. Be­son­ders bekan­nt wurde die Freilicht­bühne durch die „Pas­sion“, die 1950 zum er­sten Mal aufge­führt wurde und seit­dem alle zehn Jahre auf dem Spiel­plan ste­ht.

Seit sein­er Eröff­nung im Jahr 2006 hat sich mit dem In­for­ma­tion­szen­trum Kump ein weit­er­er über­re­gio­n­al bekan­n­ter Ve­r­an­s­tal­tung­sort etabliert: Hi­er fan­den un­ter an­derem Ausstel­lun­gen von Ar­min Mueller-Stahl, Gün­ter Grass und Suzanne von Bor­sody statt.