Samstag, 27 April 2024

Ein Hagener Kind

Die in Hagen geborene Sängerin Inga Humpe gehörte zu den bekanntesten Musikerinnen der Neuen Deutschen Welle. Im Interview spricht sie über ihre Hagener Wurzeln, ihre musikalischen Anfänge und die Herausforderungen, mit denen Frauen in der Musikindustrie konfrontiert werden.

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TOP MAGAZIN: Inga, du wurdest in Hagen geboren und bist in Herdecke aufgewachsen. Wie tief ist deine Verbindung zu deiner Geburtsstadt?

 

Inga Humpe: Die ersten Jahre sind ja bekanntlich sehr prägend und dementsprechend merke ich, dass ich die 70er-Jahre in Hagen und Herdecke als sehr aufregend und bunt in Erinnerung habe. Es gab die ersten Sitzstreiks vor dem Hagener Bahnhof auf den Straßenbahnschienen – so ein Bild bleibt für immer im Gedächtnis.
Die Disco „Piccadilly“ ist ebenfalls eine Erinnerung, da habe ich zum ersten Mal Udo Lindenberg gehört. An Samstagnachmittagen konnte man dort in der Kneipe den Beatclub im Fernsehen sehen. Das waren Teenager-Highlight-Momente für mich, die mich mit der Stadt verbinden.

 

TOP MAGAZIN: Mitte der 1970er-Jahre bist du gemeinsam mit deiner Schwester Annette nach Berlin gezogen. Was hat euch dazu bewegt, diesen Schritt zu wagen?

 

Inga Humpe: Ich war zuerst in Aachen und hatte vor, ernsthaft Komparatistik und Kunstgeschichte zu studieren, aber dort fühlte ich mich sehr unglücklich. Berlin war schön weit weg von zu Hause und ich hatte meine Schwester dort bereits besucht. Es schien mir genau der richtige Ort zu sein, um ein selbstständiges Leben zu wagen, mit vielen Abenteuern.

 

TOP MAGAZIN: Du und Annette habt die Band Humpe & Humpe gegründet und zwei Alben von 1985 bis 1987 veröffentlicht. Welche Künstler oder Musikrichtungen haben euch damals am meisten geprägt und inspiriert?

 

Inga Humpe: Wir waren damals an englischsprachiger Musik interessiert. Die „Neue Deutsche Welle“ war bereits vorbei und Plattenfirmen wollten uns als eine Art musikalische Kessler-Zwillinge positionieren. Wir hörten aber Talking Heads oder Laurie Anderson und haben uns dann für ihre Produzentin Roma Baron entschieden. Und für Conny Plank, der hatte sein Studio in der Eifel und  schon die „Eurythmics“ und „Ultravox“ produziert. Unser Blick war damals nach New York gerichtet.

 

TOP MAGAZIN: Als erklärte Feministin weißt du um die Herausforderungen, mit denen Frauen in der Musikindustrie konfrontiert sind. Was sind deiner Ansicht nach die Gründe für die ungleichen Bedingungen zwischen Frauen und Männern?

 

Inga Humpe: Solange es keine einzige Frau an der Spitze einer Plattenfirma gibt, wird sich nichts ändern. Die meisten großen Konzerne sind international, vorwiegend amerikanisch. Dort werden auch die wichtigen Personalfragen entschieden und die Unterhaltungsindustrie ist sehr männlich dominiert. Kein Mann will dieses Machtgebiet aufgeben. Ich hoffe, dass da bald mal eine Lücke hereingerissen wird.

 

TOP MAGAZIN: Du arbeitest regelmäßig mit den unterschiedlichsten Künstlern zusammen. Für deine Songtexte wurdest du 2018 mit dem Fred-Jay-Preis ausgezeichnet. Was macht einen guten Song aus?

 

Inga Humpe: Ein guter Songtext sollte persönliche Bilder enthalten. Gerne auch etwas Ungehörtes und Überraschendes. Wenn ein Lied die Leute auf neue Ideen bringt oder sie anregt, etwas in ihrem Leben zu ändern, oder sie bestärkt, dann hat es Menschen erreicht und dann ist es gut.

 

TOP MAGAZIN: Mit deinem Lebensgefährten Tommi Eckart bildest du seit 23 Jahren die Band „2raumwohnung“. Wie gelingt es euch, gemeinsam als Paar zusammenzuarbeiten?

 

Inga Humpe: Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es ohne die gemeinsame Musik funktionieren sollte. Wir haben definitiv gemeinsame Interessen, das hält uns zusammen. Das geht über den Psychokram und Zweierbeziehungen hinaus, wir nehmen uns nicht so wichtig.

 

TOP MAGAZIN: Vor drei Jahren habt ihr euer Best-of-Album „20 Jahre 2raumwohnung“ veröffentlicht. Dürfen sich eure Fans auf ein kommendes Album freuen? Und welche weiteren Pläne stehen bei dir in naher Zukunft an?

 

Inga Humpe: Wir lassen jetzt erst mal locker. Mal sehen, was kommt. Natürlich schreiben wir weiterhin neue Musik und treten live auf, aber wann und wie wir etwas veröffentlichen, weiß keiner im Moment. Wir machen keine Pläne, solange es geht!

 

Infokasten


Inga Humpe wurde 1956 in Hagen geboren. Ihre Kindheit verbrachte sie gemeinsam mit ihrer älteren Schwester Annette Humpe in Herdecke an der Ruhr, wo ihre Eltern eine Konditorei betrieben. Nach dem Abitur nahm sie 1975 ein Studium der Kunstgeschichte und Komparatistik an der RWTH Aachen auf, wechselte jedoch im folgenden Jahr an die Freie Universität Berlin.
In Berlin gründete sie mit ihrer Schwester die Punkband „Neonbabies“ und gehörte mit den Bands „DÖF“ und „Humpe & Humpe“ zu den bekanntesten Musikerinnen der Neuen Deutschen Welle. Sie verfasste Songs für Kylie Minogue, arbeitete mit Udo Lindenberg zusammen und remixte Songs für Ennio Morricone und Herbert Grönemeyer. Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Tommi Eckart bildet sie heute die Band „2raumwohnung“. Inga Humpe wurde als Mitglied von „2raumwohnung“ mit verschiedenen Auszeichnungen geehrt, darunter mehrfach mit dem „Dance Music Award“.